Armin Deutz
Gunther Greßmann
Veronika Grünschachner-Berger
Flurin Filli
Leopold Stocker Verlag, Graz, Stuttgart
2017, 215 Seiten
Um das Gams- und um das Steinwild wird viel gestritten in den bayerischen und österreichischen Alpen. Die einen meinen die Bestände seien zu hoch, der Verbiss bedrohe Schutzwald und
damit die Zukunft der Täler. Die anderen befürchten die Gamsbestände seien zu stark bejagt. Die Gams drohten ausgerottet zu werden oder nicht mehr den Forderungen der Europäischen
Gemeinschaft zu entsprechen.
Auch zum Muffelwild gibt es verschiedene Meinungen. Einerseits beeindrucken die gewaltigen Schnecken in jedem Jagdzimmer. Andererseits verbeißen diese Wildschafe die jungen Waldbäume
und schälen die Rinde von den Bäumen
Eine umfassende. moderne Darstellung der Kenntnisse über die drei Arten ist also mehr als überfällig:
Das Autorenteam stellt Kuriositäten und Aberglauben zu den drei Wildarten an den Anfang der Neuerscheinung. So glaubte man die Gämsen nutzten ihre Krickel um sich an Felszacken
festzuhalten. Sie steckten, so meinte man, ihre Vorderläufe in den Äser um zu pfeifen.
Ausführlich werden die zoologische Systematik der drei Wildarten abgehandelt sowie ihre ursprüngliche Herkunft und Verbreitung sowie die Entwicklung ihrer Populationen nach der
letzten Eiszeit. Die heute alpinen Arten waren, das zeigen Malereien in Höhlen aus der Steinzeit, während der Eiszeiten auch außerhalb der Gebirge verbreitet. Die Mufflons bei uns stammen
hingegen von Inseln im Mittelmeer.
Von großem historischem Interesse ist das Kapitel über Gams- und Steinwild als wandelnde Apotheken. Fast zu Ausrottung des Steinwilds hätte die Gier nach Herzkreuzln geführt,
einer herzförmigen Verknöcherung des Bindegewebes im Herzen, von der man sich wahre Wunderwirkungen erhoffte. Die zerriebenen Hornspitzen des Steinwildes galten natürlich als
potenzsteigernd.
Ausführlich beschreiben die Autoren der Anpassung dieser Wildarten an ihren Lebensraum. Besonders gestaltete Hufe und Schalen geben Gams- und Steinwild Halt im Fels, dichtes
Haarkleid schützt sie im Winter, überdurchschnittlich viele rote Blutkörperchen gleichen den Sauerstoffmangel in großen Höhen aus. Sogar die Körpertemperatur können die beiden Arten im
Winter absenken um die Temperaturdifferenz mit der Umgegend zu verringern.
Alle drei Wildarten erkennen kleinste Bewegungen auf weite Entfernung, sehen aber rote und orange Farbtöne nicht. Gut erkennen sie dagegen blaue und grüne Farben, weshalb die Autoren folgerichtig
von Bluejeans auf der Jagd abraten.
Steinwild bevorzugt steile, felsdurchsetzte Süd- und Südwesthänge mit wenig Schnee, Gams nutzen auch Flächen mit anderen Expositionen und mehr Schnee. Mit Beginn des Frühlings wandern beide Arten
nach unten, dem frischen Grün entgegen.
Die Mufflons, weit außerhalb ihrer natürlichen Verbreitung im Mittelmeerraum eingebürgert, sind bei uns nicht an bestimmte Biotope gebunden Sie kennen sich in ihrem Revieren hervorragend
aus und finden bei Gefahr rasch sichere Einstände. Felsen fehlen allerdings häufig, wodurch Wölfe mit ihnen ein leichtes Spiel haben.
Auch das Sozialverhalten der drei Wildarten wird eingehend geschildert. Alle drei sind Rudeltiere mit Rangordnungen innerhalb der Gruppen.
Steinböcke haben Streifgebiete von bis zu 12000 ha, die Geißen zwischen 250 und 850 ha. Bei den Gams hängt die Größe des Streifgebiets sehr von der Qualität des Lebensraums ab. In der
Regel nutzen beide Geschlechter unter 100 ha, die Geißen eher etwas mehr.
Ausführlich beschrieben und hervorragend illustriert werden soziales Verhalten und die innerartliche Kommunikation.
Gams-,Stein- und Muffelwild sind Wiederkäuer. Die Gams wechseln als einzige im Winter vollständig den Äsungstyp hin zu anspruchslosem Raufutter. Im Sommer genießen sie die große
Kräutervielfalt im Gebirge.
Steinwild frisst stetes mehr Gräser als Kräuter.
Die Fütterung von Stein-und Gamswild wird kategorisch abgelehnt, die von Muffelwild eingehend beschrieben aber nicht begründet.
Eingehend befasst sich das Buch mit Krankheiten, die bei den Rudeltieren bei zu hoher Dichte, suboptimalen Lebensräumen oder Beunruhigung zu Massensterben führen können.
Für Förster und Waldbesitzer wichtig sind die Abschnitte zu Gams- und Steinwild im Bergwald. Durch Kahlschläge, Waldweide und Windwürfe und durch die Almwirtschaft sind viele
neue Lebensräume unterhalb der Waldgrenze entstanden die nicht zuletzt wegen des Fehlens von großen Raubtieren von Gams- und Steinwild besiedelt werden. Dort verursachen diese Wildarten auf nicht
geringen Flächen unerträgliche Verbissschäden auch im Schutzwald.
Das Muffelwild ist in tiefer gelegenen Waldgebieten eingebürgert worden. Dort verbeißt es intensiv, schält auch und entwertet so den wertvollsten Teil der Baumstämme. Ein Horror für jeden
Waldbesitzer.
Bei den Gams werden in Österreich Zuwachsraten von 10-15 % des Bestandes angenommen. Die Zuwachsraten beim Steinwild werden mit 75 % des weiblichen Bestandes geschätzt.
Beim Muffelwild geht man von 75 % des weiblichen Frühjahrsbestandes aus. Die Zuwachsraten sind bei dieser Art hoch, weil die Schafe zwei Lämmer setzen.
Größe und Qualität des Lebensraum der alpinen Arten verschlechtern sich außerhalb des Waldes laufend durch
Als Grundlagen der Bejagung schlagen die Autoren großräumige Zählungen vor, Abschätzung des wirksamen Zuwachses, Festlegung eines Zielalters und Annahme eines praxisbezogenen
Abgangs (Abschuss + Fallwild).
Die Autoren warnen vor zu starken Eingriffen in die Mittelklasse, weil dabei zu wenige Stücke alt werden.
In älteren Vorschlägen zur Regulierung für Gams- und Steinwild, die aber nach wie vor vernünftig erscheinen, wird unterschieden zwischen Kernzonen und Verdünnungszonen:
Kernzonen sind die Lagen oberhalb der Waldgrenze und der subalpine Bereich. Dort:
In der Gamsverdünnungszone:
Bei der Beschreibung der praktischen Bejagung wird über eine kuriose, historische Methode berichtet, der „Gamsmaske“. Der Weidmann bastelt eine möglichst naturnahe Maske
eines Gamsbocks, setzt sie auf und spielt an einem Grat den vermeintlichen Rivalen eines Platzbockes um diesen „heran zu pfeifen“ und zu erlegen.
Ansonsten warnen die Autoren vor Trophäenwahn.
Gefordert werden Geschlechterverhältnisse 1:1 mit genügend alten Stücken. Geworben wird für Bewegungsjagden möglichst revierübergreifend um die Störung durch die Jagd zu verringern.
Ausführlich widmet sich das Buch in einem hervorragend bebilderten Kapitel dem Ansprechen.
Wildbrethygiene und Versorgung des erlegten Wildes werden ausführlich und sehr sachkundig beschrieben. Es wird wieder einmal klar gestellt, dass die Verantwortung für Qualität
und Sicherheit beim Jäger liegen.
In den letzten Kapiteln geht es zunächst um Waffen, Munition und Kleidung bei der Bergjagd.
Danach werden noch die Präparation der Trophäen und das Binden eines Gamsbarts beschrieben. Bei den Gamskrickeln wird sogar gezeigt, wie man künstliche Jahrringe basteln
kann, um damit das Alter der erlegten Tiere für die Trophäenschau passend zu machen.
Das Buch spricht vor allem österreichische Leser an. Dennoch kann man zusammenfassend bestätigen was die Autoren in ihrem Vorwort formuliert haben: “Dieses Buch ist nicht nur für die
Jäger sondern auch für andere Interessierte verfasst. Es weckt auf unterhaltsame Weise gesteigertes Verständnis für Stein- und Gamswild. Somit wird Verantwortungsbewusstsein geweckt für den
Weiterbestand dieser beiden Wildarten in ihren angestammten Lebensräumen“.
Beim Muffelwild kann man zwischen den Zeilen vorsichtige Skepsis über die Sinnhaftigkeit einer Einbürgerung erkennen.
Dr. Klaus Thiele